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Schulgespräch 2023

Das „Suitbertus“ fragt nach der Zukunft des Menschen
SCHULGESPRÄCH mit Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs

 

Das „Suitbertus“ wird 100. Ein Jubiläum, das Rückschau fordert: All die Höhepunkte, historischen, kulturellen Prägungen und Einflüsse wollen erwähnt und gewürdigt werden. Im Zentrum allenthalben nicht die Bildungsinstitution, die Schulmauern, sondern der Mensch, der junge Mensch, mit seinem Anspruch auf Werden und Wachsen, auf Bildung und Erziehung.  

  

Der Blick zurück ist notwendig und hilfreich. Spannend und fordernd indes wird es, wenn man sich mit dem auseinandersetzt, was kommen wird, was uns erwartet: Irgendwie scheint sich der Mensch selber zu überholen, Menschsein wird im Kontext von Digitalisierung und Verobjektivierung gesehen, Intelligenz war gestern, KI wird zum gern genutzten Problemlöser und Lebensbegleiter.  

  

Wie geht es mit dem Menschen, wie geht es mit uns weiter? 

  

Das erste SCHULGESPRÄCH in diesem Schuljahr am 27.04. stellte sich dieser Frage. Der Referent, Professor Dr. Dr. Thomas Fuchs, Heidelberger Psychiater und Philosoph und diesjähriger Erich-Fromm-Preisträger, sorgte für interessante Einblicke in eine mitunter sperrige Materie. 

Der Mensch bereitet Kopfzerbrechen, er entzieht sich klarer, eingängiger Definitionen. Ihm eignen grundlegende Widersprüche: Größe und Elend; Macht und Ohnmacht; Staunen, Furcht, Erschrecken. Prof. Fuchs veranschaulichte beispielhaft die Brennpunkte anthropologisch-philosophischer Diskurse. Dabei wurde anhand der Menschenbilder von Sophokles, Pascal und Nietzsche die Spannung zwischen dem Schöpferischen und dem Zerstörerischen im menschlichen Streben konkretisiert.

Auch die vielfältigen Bemühungen der menschlichen Absolutsetzungen, der Glaube an die eigene Überlegenheit, der sich zuspitzende Narzissmus, aber auch die Selbstzweifel des Menschen offenbaren markante Krisenmomente. 

Der Referent verwies auf populäre Vertreter von Zukunftsentwürfen, die den Menschen technisch-digital reduzieren (Yuval Harari, Ray Kurzweil). Das Sich-Verlassen auf vermeintlich technische Perfektion, die Geringschätzung menschlicher Unvollkommenheit, die Sehnsucht nach dem Optimum entwickeln sich zum Nährboden für das algorithmengestützte Versprechen, dass alles besser werde. Bedenklich sind die pseudoreligiösen Überhöhungen technologischer Möglichkeiten. Die Zuschreibung von Allmacht der digitalen Helfer/Begleiter lässt den Menschen in seinem Menschsein zurückfallen. 

Fuchs sieht die Neigung, KI zu zelebrieren. Problematisch auch, KI in therapeutischen Bereichen einzusetzen, die eigentlich menschliche Nähe und Sensibilität erfordern: Realtherapeutische Begegnung wird ersetzt durch Scheinbeziehung. 

Dominanz des Scheins auch in den Sozialen Medien: Auf der Suche nach Liebe geht man den Weg des Scheins, Onlinedating fördert Scheinbilder, - der „Klick“ als anstrengungsfreier Reflex für Neues, Selbstinszenierung ist die Grundlage für Internetpräsenz. Projektive, fiktionale Gefühle schaffen ein neues, nicht authentisches Mit- bzw. Nebeneinander. 

  

Dieser Zeitbefund ist kritisch. Eine Kursänderung scheint unerlässlich. 

  

Thomas Fuchs sieht in einem „Humanismus der Verkörperung“ das Gegengewicht zum Funktionalismus der Gegenwart. Der Psychiater und Philosoph präzisierte seine Zukunftsperspektive: Die KI zu idealisieren, ihr gleichsam den Zauber der Vollkommenheit zuzusprechen, verfehle deren Grunddisposition. Die KI habe kein Bewusstsein, sie simuliere lediglich menschliches Empfinden und Denken. Fuchs bezweifelte die Berechtigung der Intelligenz-Zuschreibung, Intelligenz setze Selbst-Bewusstsein voraus, die KI sei lediglich stark darin, Kalkulationsaufgaben zu lösen. 

 

Was tut not, was braucht der Mensch und kann ein Ausweg aus der Digital-Roboter-Zentrierung sein? Für den Referenten eindeutig: Die Rückbesinnung auf das Leibliche in seinem ureigensten Sinn! Das heißt, den Menschen wieder in seiner personhaften Ganzheit begreifen, sich bewusst machen, dass alles Leibliche, Subjektive nicht zu ersetzen ist, dass reiner Geist sich nicht vom Körper lösen kann. Das Mit-einander wächst und gewinnt an Substanz erst durch Zwischenleiblichkeit. Empathie wird in leiblichen Kontakten erlernt, virtuelle Präsenz schafft nur scheinbar Befriedigung. 

  

Was wird aus dem Menschen? Professor Fuchs vermied die schnelle, einfache Antwort. Deutlich wurde indes, dass weder Pessimismus noch Optimismus oder gar Visionäres angebracht sind. Der Mensch bleibt Mensch, bewahrt er sein Selbst-Bewusstsein und besinnt sich auf seine Leiblichkeit. 

  

Ein SCHULGESPRÄCH mit Impulskraft; die Diskussionen - auch Tage danach - lebhaft, kontrovers und spannend! Alles dank eines inspirierenden Referenten! 

 

Eugen Kainzmaier