„Plötzlich bekommt Geschichte Gesichter, Schicksale und Stimmen.“ Reflexionen zur Auschwitz-Fahrt 2025
Als wir nach Auschwitz gefahren sind, wusste ich, was mich dort erwartet - zumindest dachte ich das. Wir haben den Holocaust in der Schule schon ein paar mal intensiv durchgekommen, ich habe vorher Filme und Dokumentationen geschaut und Texte gelesen. Doch vor Ort zu sein, an diesem realen Orten, ist etwas völlig anderes. Plötzlich bekommt Geschichte Gesichter, Schicksale und Stimmen.
Besonders die Bilder von extrem unterernährten Menschen haben mich tief getroffen. Diese Körper, so ausgemergelt und leblos - sie zeigen, wie die Menschen entmenschlicht wurden und wie ihnen alles systematisch genommen wurde: ihre Würde, ihre Hoffnung und ihr Leben. Diesen Anblick werde ich auch jetzt nicht los.
Was mich aber am meisten erschüttert hat, waren die Fotos und Aufnahmen von Kindern. Kinder, die kurz darauf ermordet wurden - lachend, spielend und mit einer Natürlichkeit, die das ganze Ausmaß dieses Verbrechens noch deutlicher macht. Ich kann nicht begreifen, wie Menschen zu so etwas fähig sein konnten. Diese Bilder haben sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.
Ein besonders bewegender Moment war das Gespräch mit einer Zeitzeugin. Sie erzählte von ihrer Kindheit im Lager, von Angst, ihrer Familie und wie sie als kleines Mädchen mit Hunger und dem Tod konfrontiert war. Doch was mich am meisten beeindruckt hat, war ihre Haltung: Sie sprach ohne Hass, aber mit der klaren Bitte, dass wir niemals vergessen dürfen, was geschehen ist und dass wir jeden Menschen so wie er ist annehmen sollen. Ihre Worte haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass die Erinnerung lebendig bleibt, solange es noch Menschen gibt, die dies noch aus erster Hand erzählen können.
Die Fahrt nach Auschwitz war keine einfache Erfahrung. Sie war emotional belastend und manchmal schwer auszuhalten - aber gerade deshalb wichtig. Ich habe hier nicht nur etwas über Geschichte gelernt, sondern auch über Menschlichkeit, Verantwortung und die Bedeutung von Erinnerungen.
Ob ich eine Fahrt nach Auschwitz empfehlen kann? - Ja, auf jeden Fall. Der Aufenthalt dort hat in mir vieles bewegt, das sich kaum in Worte fassen lässt. Es ist eine Erfahrung, die das eigene Denken und Fühlen verändert - eine, die das Verständnis für Geschichte vertieft und das Bewusstsein für die heutige Verantwortung jedes Menschen schärft.
Ich kann und werde niemanden dazu drängen, diese Reise anzutreten. Jeder Mensch muss für sich selbst entscheiden, ob er/sie bereit ist, sich mit diesem Ort und seiner Bedeutung auseinanderzusetzen. Aber wer die Möglichkeit hat, sollte sie nutzen - weil Wissen allein nicht reicht, um zu begreifen, was hier geschehen ist. Vor allem große Zahlen, z.B. der Opfer, kann man sich nur schwer vorstellen. Man muss es sehen, die Atmosphäre spüren und aushalten, um zu verstehen.
Gerade mit Blick auf die heutige Zeit, in der Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung wieder größere Rollen spielen, halte ich solche Fahrten für wichtiger denn je. Auschwitz erinnert uns daran, wohin Hass und Gleichgültigkeit führen können - und dass sich so etwas niemals wiederholen darf.
Geschrieben von Anna Mia Nonhoff (Q1)