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Bericht von der Schülerakademie 2018

von Lisa Zhu

DSA 2018 Urspring

Der Fluch des schwarzen Goldes oder Wie ich zum Kaffeejunkie wurde

An erster Stelle ein herzliches Dankeschön an Frau Dr. Barner für ihren Vorschlag bei der DAS, sowie der aufrichtige Appell an alle Q1ler, sich nicht abschrecken zu lassen und die Chance auf einen unvergesslichen Sommer wahrzunehmen und zu ergreifen!

 

 „Herzlich Willkommen zum Start unseres Raumschiffes!“

Mit diesen Worten wurde ich an einem Donnerstagnachmittag gemeinsam mit 92 weiteren Teilnehmern zum Beginn der Deutschen Schüler Akademie in Urspring, Baden-Württemberg, begrüßt. Die Raumschiff Metapher sollte dabei zum Ausdruck bringen, dass sich hier die unterschiedlichsten Persönlichkeiten zusammengefunden hatten und wir die nächsten 16 Tage als Gemeinschaft relativ isoliert von der Außenwelt verbringen würden.

Ich war zunächst recht skeptisch- würde aus diesem bunten Mix tatsächlich eine Form von Gemeinschaft werden? Ich hatte mich für den Kurs „Diskrete Mathematik“ entschieden - aus dem einfachen Grund, dass ich mich trotz vorhandenen Interesses kaum mit solchen Themen in meiner Freizeit auseinandersetzen würde. Im Vorhinein sollten in meinem Kurs jeweils 2 Teilnehmer ein 1 stündiges Referat vorbereiten, wir waren darum schon in Kontakt getreten... Es gab „Akademiejunkies“, die schon den Überblick über die Anzahl der von ihnen besuchten Akademien verloren hatten, ein Teilnehmer befand sich im 4. Semester des Mathestudiums und hatte alle Prüfungen mit 1,0 bestanden, ein weiterer kündigte an, jeden Tag in einem unterschiedlichen T-Shirt gewonnener Mathe Wettbewerbe zu erscheinen, noch einer hatte „mal so neben der Schule“ Astronomie studiert...

 Ich trat meine 6 stündige Anreise dementsprechend mit viel Gepäck und ordentlich eingeschüchtert an. Meine Sorge, in ein „Camp für Nerds“ zu reisen, erwies sich jedoch als grundlos, die Atmosphäre war sehr locker, und Freundschaften wurden rasch während der Gelände-Rallye direkt nach der Ankunft geknüpft.

Schnell gewöhnte man sich auch an den routinierten Tagesablauf:

 - Frühstück

 - Plenum um 8.30 Uhr

- Kurs

- Kaffeepause um 10.30 Uhr

- Kurs

- Mittagessen um 12.15 Uhr

 - KüA

- Kuchenpause 16 Uhr

 -Kurs

- Abendessen um 18.45

-KüA

Schon dieser kurze Einblick in unseren Tag offenbart zweierlei:

1. wir waren gefühlt konstant am essen und

2. wir verbrachten die restliche Zeit mit den „KüAs“, kursübergreifenden Angeboten

Diese Angebote wurden von uns selbstständig gestaltet, jeder konnte „seine“ küA morgens im Plenum ansagen. So kam ein buntes und vielfältiges Angebot zustande, das von den (erwarteten) sportlichen Aktivitäten wie Basketball, Volleyball oder Standardtanzen oder den Sprachkursen in Französisch oder Spanisch über Gebärdensprache zu doch recht ungewöhnlichen wie Zirkularatmung, PowerPoint Karaoke, einer wissenschaftlichen Anleitung zum Sockenwaschen oder einer „wir-suchen-vermisste-Ladekabel“ reichte. Vorgegeben waren lediglich der Chor und das Orchester durch unsere musikalische Koordinatorin, sie übergab allerdings auch rasch die Leitung an interessierte Teilnehmer, die sich beispielsweise am Chorleiten erprobten. Natürlich wurden auch überaus spaßige Vorschläge eingereicht- so kündigte unser Akademieleiter eines Tages morgens im Plenum an, er bedürfe aufs dringendste eines neuen Haarschnittes. Zwar stand diese KüA offiziell nur denjenigen Teilnehmern offen, die tatsächlich Haare schneiden konnten, allerdings nahm unser Leiter es auch ohne mit der Wimper zu zucken hin, dass alle 93 Teilnehmer bei ihrem Friseur aushelfen würden und es unser Herzenswunsch war, in dessen Fußstapfen zu treten: Unserer zukünftigen Karriere stand auch nichts im Wege- außer möglicherweise der doch recht asymmetrische Frisur, die unsere berufliche Eignung zu verspotten schien…  Auch gründeten wir (als ob wir nicht alle Essen im Überfluss vorgesetzt bekamen) eine Mitternachts-Back KüA, die ab 2 Uhr morgens Snacks zur Verfügung stellte, sofern man nicht auf die Brotsammlung der Cafeteria zurückgreifen wollte. Als Reaktion auf diese KüA fand sich schnell die Verkostungs- KüA zusammen, deren Teilnehmer sich in der Lage sahen, um 3 Uhr Schoko Lava Cakes zu verzehren...

Diese ganzen Aktivitäten wurden dadurch ermöglicht, dass es keine vorgeschriebene Nachtruhe gab, weshalb man die Akademie auch mit dem Synonym „16 Tage Schlafdefizit“ umschreiben könnte. Die vielen Pausen zwischen der Kursarbeit erschienen oftmals als Lebensretter, der Großteil der Teilnehmer war am Tage auch mit leerem Blick, eine Tasse flüssigen Goldes, die man sich im Übrigen hart erkämpfen musste!, fest umklammernd, anzutreffen. Die meisten (mich eingeschlossen) mutierten übrigens auf der Akademie von Kaffeeskeptikern zu regelrechten Junkies. Generell spiele Kaffee während der Tage eine wichtige Rolle: Das ging nicht nur so weit, dass ein  Verbot, Tassen aus der Cafeteria „mitgehen“ zu lassen, ausgesprochen werden musste, da Teilnehmer diese samt ihres kostbaren Inhaltes auf ihren Zimmern nahezu „horteten“- was zu akutem „Tassenmangel“ während der Mahlzeiten führte. In meinem Kurs nahm die Tendenz, unruhig auf den Stühlen hin- und herzurutschen, proportional zum Näherrücken der Kaffeepause immer mehr zu, zusätzlich wurden sehnsuchtsvolle und bange Blicke (sobald man andere draußen erblickte, die auf die Cafeteria zusteuerten, sah man förmlich vor dem inneren Auge, wie die Menge an Kaffee schwand)  aus dem Fenster geworfen, durch das man sich sobald die Kursarbeit abgeschlossen war, mit einem waghalsigen Hechtsprung fast schon todesmutig ins Freie, ergo zum schwarzen Gold hin, beförderte.

Die Risikobereitschaft nahm mit dem Schlafdefizit, das sich im Laufe der Tage exponentiell anhäufte, zu- so wurden die Plätze in unmittelbarer Nähe zu den Fenstern in meinem Kurs zu den begehrtesten Plätzen. Verschuldet wurde dieser „Kampf um Koffein“ nach einigen Tagen allerdings nicht mehr lediglich durch unsere mitternächtlichen oder frühmorgendlichen Backaktionen, sondern durch den Sachverhalt, dass gegen Ende der Akademie nach all den Referaten parallel zu der Kursarbeit an einer schriftlichen Dokumentation gefeilt wurde- gefeilt, da die meisten Texte mindestens 5 mal vollkommen umgeschrieben werden mussten. Die Atmosphäre entfernte sich immer mehr vom „Schulischen“ und näherte sich einer, die sich am ehesten als „Studenten in der Prüfungszeit“ beschreiben ließe- so gab man morgens fast schon selbstgefällig den Text ab, überzeugt, sich soeben Tage voller Freiheit verschafft zu haben, nur um sich Stunden später resigniert wieder an die Überarbeitung zu begeben: früh morgens traf man immer weniger Schoko Lava Cakes Liebhaber und immer mehr gestresste Teilnehmer an, die über ihren Laptops brüteten- moralischer Beistand waren meist mehrere Tassen Kaffee, die selbstverständlich nicht illegal aus der Cafeteria entwendet wurden…

Abwechslung kam trotzdem in den Alltag- zum Einen in Form der Sonntage, an denen die Vormittagskurse entfielen und man entspannt brunchen konnte, oder durch den Exkursionstag, der u.a. eine Kanu-, oder Radtour, sowie eine Wanderung anbot. Auch Städte konnten besichtigt werden, so entschied ich mich für einen Trip nach Stuttgart. Ein weiterer variierender Tag war der sog. Rotationstag, an dem die Kurse sich gegenseitig ihre Kursinhalte vorstellten: die Physiker aus „der Weg zum virtuellen Windkanal“ präsentierten aerodynamische Probleme; die Biologen „Kooperation testen“ boten eine Rundführung durch ihr Labor an, wobei sie uns ihre Experimente mit Aiptasia, Seeanemonen, näherbrachten; der Lateinkurs „Intellekt, Macht, Verschätzung“ hielt einen Vortrag über Augustus, der in eine offene Diskussionsrunde überging; „Hat der Sozialstaat ausgedient“ beleuchtete beide Seiten des gesetzlichen Mindestlohnes; „die Kunst des Reisens“ führte uns in die historische Entwicklung des Reisens ein. Mein Kurs schwamm mit einer „abzählbar unendlichen“ Menge an Wissen diskret gegen den Strom an: Wir hatten nach den Einführungsreferaten Inhalte des Grundsemesters eines Informatikstudiums erarbeitet (das Skript, welches sich auf -Seiten belief, wobei und =127, war zunächst sehr abschreckend) und im weiteren Verlauf Projekte zu Themen wie Spieltheorie, Verschlüsselungen, diophantische Gleichungen, Algorithmen auf Graphen, Parkettierungen oder Probleme auf Brettspielen zugeteilt. Am Rotationstag entschieden wir uns letztlich dafür, eben besagte Projekte in Form von Stationen zu präsentieren.

Die Chor-, und Orchestermitglieder, die teilweise täglich bis spät in die Nacht probten, präsentierten dem Rest der Akademie sowie einigen Ortsansässigen, die zuvor während ihrer Spaziergänge in unsere Proben gestolpert waren, im Rahmen eines Konzertes die Ergebnisse ihrer harten Arbeit. Zusätzlich fand noch ein sogenannter „bunter Abend“ statt, an dem die Kurse sich von ihrer besten Seite präsentierten- so erläuterten uns die Physiker die Flugeigenschaften einer Kuh, und führten den Begriff des „kuhmuhlativen Luftwiderstandes“ ein, die Biologen hingegen führten einen Sketch „Wer hat die Aiptasia umgebracht?“, der übrigens auf einer wahren Begebenheit beruhte!, auf. Mein Kurs entschied sich für „mathematische“ Beweise wie „alle Dreiecke sind gleichseitig“, oder „1=2“.

Zwei weitere Punkte, die zur Belustigung der Akademieteilnehmer beitrugen, waren zum einen das Designen unseres DSA-Pullis, sowie die morgendlichen Aktivitäten während des Plenums: Beim ersteren wurde auf die Raumschiff- Metapher zurückgegriffen, und das NASA Logo so abgeändert, dass es auf uns passte. Zusätzlich wählte jeder Kurs ein eigenes Symbol und die Lateiner entschieden sich für einen Kürbis mit einem Lorbeerkranz, ganz nach der Satire „Apocolocyntosis“ („Verkürbissung“) Senecas.

Zum Plenum: Nach Gründung einer Nachrichten- KüA präsentierte sie uns jeden Morgen kurz ihre Rechercheergebnisse- selbstverständlich mit einem Teilnehmer der Gebärden KüA, der wild fuchtelnd nach bestem Wissen und Gewissen zu übersetzen versuchte. Doch auch wir mussten sportlich aktiv werden- es gab jeden Tag Aufwärmübungen… auch für die Stimme! Dafür wurde ein Liedchen eingeführt, das lediglich aus dem Wort „Chocolat“ zusammengesetzt war. Hier kommt die „Schokoladenseite“ des ambivalent intendierten Titels zum Tragen- Schokolade zählte auf der Akademie ebenso wie Kaffee zu den Gütern, die in übermäßigen Mengen konsumiert wurden- u.a. in Form der berüchtigten Lava Cakes. Zum Fluch für unsere Zähne kam allerdings mit dem Lied ein Fluch über die gesamte Akademie: die Melodie wurde gesungen, gesummt, gepfiffen… und das durchgehend während Mahlzeiten, KüAs, Ausflügen etc! In meinem Kurs wurde schließlich notgedrungen festgelegt, dass jeder, der das Lied auch nur an summte, zur Strafe den nächsten Beweis an der Tafel führen musste…

Die Tage vergingen wie im Fluge und rasch schon bastelten wir an Briefen für liebgewonnene Freunde… ein endgültiger Abschied war es allerdings nicht, da schon am ersten Tag nach Ende der DSA begonnen wurde, ein Nachtreffen zu organisieren. Zusammengefasst war die DSA ein sehr intensives Ereignis- es waren zwar die anstrengendsten Tage meiner Ferien (zuhause war man aufgrund meiner Augenringe ziemlich besorgt, und ich verbrachte einige miserable Tage auf Koffeinentzug), aber zugleich auch die schönsten: denn neben Erwerb fachlichen Wissens stand besonders das spielerische Erlernen sowie der Spaß im Vordergrund; ich verließ die Akademie nicht nur „beflügelt“ von neuen Kenntnissen, sondern vor allem mit wertvollen Freundschaften.