2018-05-18_Test-Titelleiste_2280x300

…versöhnt

                                                                               31.März 2021

 

Liebe Eltern, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitarbeiterinnen,

„Dich selbst unterbrechen“  …dazu mahnt uns die Schriftstellerin Dorothee Sölle in ihrem Gedicht „Unterbrechung“. Sie schreibt: „Zwischen Arbeiten und Konsumieren soll Stille sein und Freude, (…) Zwischen Aufräumen und Vorbereiten, sollst du es in dir singen hören“ (…) „Zwischen Wegschaffen und Vorplanen sollst du dich erinnern“… an unser aller Anfang „als die Sonne aufging ohne Zweck und du nicht berechnet wurdest in der Zeit, die niemandem gehört außer dem Ewigen.“

So mahnt sie uns zu lauschen, unsrer Sehnsucht nachzuspüren und uns hinzugeben dem, der alles in Händen hält. Wann, wenn nicht dann in der Karwoche… dieser Karwoche des Jahres 2021…?                             

Diese Woche, sie konfrontiert uns mit allem, was mit unserem menschlichen Leben von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt, mit unserer Vergänglichkeit und auch unserem Sehnen verbunden ist: mit dem bejubelten Einzug Jesu in Jerusalem, der hingebungsvollen Ölung Jesu durch die Sünderin, die ihre Tränen, die auf Jesus fielen, mit ihren Haaren trocknete, mit Jesu Wut, dass aus dem Tempel, dem Haus des Gebets und der Verbundenheit mit Gott ein Jahrmarkt gemacht wurde, mit seinem Beispiel der Fußwaschung der Jünger, gefolgt vom letzten Liebes-Mahl, das er mit seinen Jüngern teilte und uns als Gedächtnis aufgetragen ist, mit Verleumdung und Verrat, Verhöhnung, Verurteilung, Bloßstellung, Unmenschlichkeit und Grausamkeit, mit Verlust jeglicher Nähe, auch gefühlter Gottesferne, die in dem Schrei „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ mündete, aber nicht endete. Denn am Schluss: Vergeben, Vertrauen, Versöhnung und Trost: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46).                      

In dieser Woche durchleben und durchleiden wir alle menschlichen Höhen und Tiefen in der Passion Jesu, die jeden Einzelnen von uns betreffen kann. Jesus lässt nichts davon aus. Nichts von dem, was jedem von uns widerfahren kann, ja, widerfährt, bleibt ihm erspart. Sein „lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ ergießt sich in der völligen Hingabe an die Liebe, an das Leben, an Gott. Indem wir diese Schritte innerlich mitgehen, mitvollziehen, indem wir mitleiden und uns mitbewegen lassen von dieser Lebenshingabe, blicken wir auch in den Spiegel, der uns gilt. Jesus geht diesen Weg, er geht ihn für uns und er geht ihn bis in die tiefste Tiefe, „hinabgestiegen in das Reich des Todes“. Kein Weg, der nicht von ihm gegangen wäre. Keine Abkürzung, die er genommen hätte. Und dann: Auch nach seinem Tod gilt sein Versprechen: Ich gehe voraus, nach Galiläa. Sein Dasein, sein Für-uns-Sein, es endet nicht. Auch nicht nach seiner Himmelfahrt. „Ich sende euch den Beistand aus der Höhe, den Heiligen Geist“. Kein Ort, kein Zustand, keine Furcht, keine Freude, die er nicht gekannt, nicht erlebt, nicht durchlitten hätte. Überall, wo uns Unheil droht, wissen wir, wir sind nicht allein. Auch er ist diesen Weg gegangen. Und er wartet am Ende aller Zeit, er ist schon da, wohin einst auch wir gelangen: ins göttliche Licht. Denn ja, er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.

Diese Botschaft, man versteht sie nur wirklich und zugleich immer wieder neu durch das Mitgehen. So hören wir auf Dorothee Sölle und lassen zu, uns selbst zu unterbrechen. Ja, tun wir es…! Und verbinden wir uns mit dem, der all unsere Wege vorangeht. Der auf uns wartet, der uns mit offenen Armen empfängt, wenn unser eigener Weg zu Ende geht. Und vertrauen wir auf das, was ist und bleibt, unabhängig von allen Zweckmäßigkeiten, Regularien, Eitelkeiten, Rechtfertigungsversuchen, Über- und Unterordnungen und Verletzbarkeiten, ja unabhängig von aller Gebundenheit unseres jetzigen Lebens.

 

Leben wir schon jetzt in diesem Vertrauen. 

Ein frohes Osterfest Ihnen allen am Ende dieser Woche, die uns auf uns selbst zurückwirft,

von Herzen

Ihre  Barbara Massing